Freitag, 24. Juni: Ein frecher Vogel und die Königin der Tiere
Wir verlassen nach einem gemütlichen Frühstück um 7:30 Uhr Palmwag und fahren zurück zur C40. Wir tanken noch innerhalb des Konzessionsgebiets und passieren dann die Veterinärkontrolle. Auf seine Frage, ob wir frisches Fleisch dabei haben, und meine Verneinung möchte der Polizist sogar noch in den Kühlschrank schauen. Da sind aber nur Landjäger drin und die ertastet er nicht als frisch. Wir dürfen weiterfahren. Die C40 führt uns nach Osten in die Grootberge immer weiter hinauf bis auf Grootberg Pass mit 1540 Metern Höhe. Von hier fahren wir mit einem beeindrucken Blick hinunter in die Ebene der Flüsse Kakatswa, Onguati und Kamanjab südlich des Etosha-Parks. Bei einer der vielen Rivierdurchfahrten stellt sich unfreiwillig die zuvor bereits verstelle Spur des Autos durch einen Schlag in die richtige Richtung wieder so ein, dass das Lenkrad wieder mittig ausgerichtet ist. Zum Teil kommen die Schlaglöcher oder Wasserrillen so schnell, dass man gar nicht rechtzeitig herunterbremsen kann. Bei der Durchquerung des Onguati Riviers müssen wir neben der völlig weggeschwemmten Straße durch den noch ordentlich tiefen Fluss fahren. Aber 94 km nach dem Grootberg Pass erreichen wir den Ort Kamanjab. Ab hier hat das Trauerspiel mit dem schlechten Pad ein Ende: Die C40 verläuft nun asphaltiert meist schnurgerade nach Südosten. 120 km/h sind kein Problem. Immer häufiger kommen wir an den für diese Gegend typischen knallroten Termitenhügeln vorbei. Nach 145 km erreichen wir kurz vor Outjo die C38, die ebenfalls asphaltiert nach Norden zum Etosha-Park führt. Weitere 87 km später kommen wir um 12:15 Uhr beim Anderson Gate des Parks an. Wir melden uns für vier Tage an und fahren die 18 km bis nach Okaukuejo. Hier müssen wir im Büro der Nationalparkverwaltung die Parkgebühr bezahlen. Etosha, der „große weiße Platz“ auf Oshivambo, ist Namibias ältester Nationalpark und mit einer Größe von 23.000 km2etwas größer als Hessen. Er wurde 1907 gegründet, nachdem einige Arten durch rücksichtslose Jagd fast ausgerottet waren, und muss seitdem ständig die Beschneidung seiner Fläche hinnehmen, um die er mit der lokalen Bevölkerung konkurriert. Bei der Gründung war er mit 80.000 km2der größte Nationalpark der Welt. Das Verlassen des Fahrzeugs im Park ist strengstens verboten. Nur in den Camps und an wenigen ausgewiesenen Rastplätzen ist es erlaubt.
Wir checken auf dem vorgebuchten Campingplatz ein, kaufen etwas Verpflegung und fahren um 13:30 für die Nachmittagspirsch in den Teil nördlich von Okaukuejo am östlichen Rand der Salzpfanne. Ab Okaukuejo ist die Straße wieder geschottert. Am Okondeka-Wasserloch besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, Löwen mit Beute zu sichten. Also parken wir hier und machen es uns im Auto gemütlich. Die Tiere am Wasserloch, hauptsächlich Springböcke und Zebras zeigen exakt das Verhalten, das wir bei den Tieren in Palmwag vermisst haben. Sie haben nicht uns im Blick sondern schauen unablässig nervös ins hohe Gras rechts von uns. Die Tiere führen einen inneren Kampf zwischen ihrem Verlangen nach Wasser und dem instinktiven Wahrnehmen von Gefahr durch Beutegreifer. Trotz intensiver Beobachtung des Grases sehen wir keine Löwen. Dafür macht irgendetwas hinter unserem Auto merkwürdige Geräusche. Als ich aus dem Fenster schaue, sitzt ein Schildrabe auf dem Autodach und macht sich an den Insektenleichen zu schaffen, die auf der vorderen Seite der Dachzeltabdeckung kleben. Dabei macht er ein gutturales, klackendes Geräusch und kräht. Er lässt sich dabei überhaupt nicht von mir stören. Nach einer Stunde am Wasserloch machen wir uns um 16 Uhr auf den Weg zurück nach Okaukuejo. Kaum haben wir das Wasserloch verlassen, sehen wir 200 Meter davon entfernt zwei Löwinnen im Gras. Da sich aber inzwischen nur noch Springböcke in der Nähe befinden, machen sie keine Anstalten, eine Jagd einzuleiten. Das lohnt für die kleinen Antilopen nicht. Wir beobachten sie noch eine Weile und fahren dann zurück. Das Tor zum Camp öffnet mit Sonnenaufgang und macht bei Sonnenuntergang zu. Zur Zeit ist das um 17:30 Uhr. Als wir kurz vor 17 Uhr am Tor ankommen, beschließen wir noch einen kurzen Abstecher zum Wasserloch von Nebrownii zu machen. Und auch hier sehen wir einen Löwen im Gras liegen. Allerdings liegt er flach auf der Seite und bewegt sich kaum, sodass man nur ab und zu seinen Kopf zu sehen bekommt. Um 17:20 Uhr müssen wir uns auf den Rückweg machen, um nicht vor verschlossenen Türen zu stehen und eine Strafe zu riskieren.
Den ganzen Tag brüte ich schon etwas aus und seit dem Nachmittag ist eine Erkältung voll durchgekommen. Wir bauen noch schnell das Dachzelt auf und ich beende den Tag im Delirium. So erlebe ich auch nicht, wie sich an diesem Abend pünktlich um 20 Uhr am beleuchteten Wasserloch noch ein Spitzmaulnashorn mit seinem Jungen blicken lässt.