Donnerstag, 16. Juni: Sportliche Antilopen und eine junge Mittelalterburg
Das Frühstück steht dem Abendessen von gestern in nichts nach. Gegen 10 Uhr verlassen wir schweren Herzens Hermi und seine Farm, fahren zurück zur D707 und nehmen diese weiter nach Norden. Kurz hinter dem Farmtor, keine 5 Minuten auf der D707 tauchen zwei Oryxe auf der Straße außerhalb der Einzäunung auf. Als wir auf gleicher Höhe sind, fangen sie an zu galoppieren. Wir machen langsamer und sie bleiben stehen, wir wollen langsam an ihnen vorbei, da laufen sie wieder los. Was tun? Also dann – wir nehmen das Rennen auf und fahren hinter den wieder losgaloppierenden Tieren her. Das eine springt kurzerhand über den Zaun zurück auf das Farmgelände, das andere läuft parallel zur Straße auf der Höhe unseres Autos und präsentiert sich als eines der Fotohighlights der Reise: gestochen scharfer galoppierender Oryx im Gras mit von den Hufen aufgewirbeltem roten Sand vor den Dünen der Namib. Auch zum Abschied also präsentiert sich Kanaan als höchst fotogen.
Um 11:40 Uhr erreichen wir die Kreuzung mit der C27 und verlassen die D707. Bei Betta nehmen wir die D826 und machen einen Abstecher zum Duwisib Castle, das wir um 12:20 Uhr erreichen. Das Schloss ließ 1908 Baron Hansheinrich von Wolf für sich und seine amerikanische Frau erbauen. Er lebte nicht lange dort. Er kam 1916 während des ersten Weltkrieges zurück nach Europa, meldete sich bei der Armee und fiel zwei Wochen später. Seine Frau kehrte nie nach Namibia zurück. Das Gebäude fiel Ende der 70er-Jahre an den Staat, der es restaurierte und 1993 für die Öffentlichkeit freigab. Es besteht aus einem wilden Stilmix und erinnert mit seinen Zinnen und Schießscharten-Fenstern an eine mittelalterliche Trutzburg. Die Räume sind fast alle zugänglich (nur in einem ist das Verwaltungsbüro untergebracht) und zum Teil noch möbliert. Der Innenhof ist eine grüne Oase mit großen Jacaranda-Bäumen. Das Baumaterial sowie die Einrichtung mussten mühsam vom Hafen in Lüderitz hierher gebracht werden. Im Keller sieht man auf den Deckenträgern noch den Zielhafen aufgedruckt.
Eine dreiviertel Stunde später fahren wir zurück nach Betta und weiter auf der C27 nach Norden. Das Pad verläuft hier immer in Reichweite der Namib-Wüste durch das Namibrand Nature Reserve. Man sieht unterwegs immer wieder große Springbockherden und viele Raubvögel. Die Straße verläuft zum Teil schnurgerade durch weite, trockene Ebenen. Je näher man Sesriem kommt, desto häufiger tauchen Luxus-Lodges am Straßenrand auf. So schön diese auch sein mögen, wie schon in Gocheganas muss die Frage erlaubt sein, ob man in dieser trockenen Gegend eine Spa- und Wellness-Lodge unterhalten muss. Luxus ohne Badebetrieb und hohen Wasserverbrauch würde auch ausreichen.
Wir erreichen Sesriem und den dortigen NWR-Campground um kurz nach 16 Uhr und können nach einigen Unstimmigkeiten bei der Platzbelegung unsere Site #3 beziehen. Beim Einchecken werden wir mehrmals gefragt, ob wir wirklich drei Nächte bleiben wollen. Ganz so, als ob sie der Meinung wären, hier gäbe es für diese Dauer nicht genug zu sehen. Nach unserem ersten Besuch vor zwei Jahren mit zwei Nächten wollten wir uns diesmal aber bewusst viel Zeit nehmen. Man schafft das „Hauptprogramm“ Düne 45 und Dead Vlei auch an einem Tag. Wenn man sich mehr Zeit nimmt, entdeckt man aber auch die schönen Seiten jenseits der Hauptattraktionen.
Site #3 können wir, ebenso wie Site #22 vom letzten Mal, sehr empfehlen. Manche andere Sites haben deutlich weniger Abstand zu den Nachbarn oder liegen direkt am Sanitärhäuschen. Wir essen beim Restaurant des Platzes zu Abend und gehen früh schlafen, um den Vorteil für Campinggäste auszunutzen und morgens direkt bei Öffnung des Gates schon eine Stunde vor Sonnenaufgang in den Park fahren zu können. Gäste von außerhalb kommen erst bei Sonnenaufgang hinein.