Freitag, 17. Juni : Ein See in der Namib
Um 5:45 Uhr, eine Viertelstunde nach Öffnung (wir waren noch so müde und haben es nicht pünktlicher geschafft), fahren wir in den Park und die 85 km auf der Asphaltstraße bis zum Dead-Vlei-2x4-Parkplatz. Wegen der Tiere im Park gilt hier trotz bestem Straßenzustand ein Tempolimit von 60 km/h. Ab dem Parkplatz führt eine Tiefsandpiste 4½ km bis zum Dead-Vlei-4x4-Parkplatz. Auf dieser zeigt unser Auto das erste Mal, was es kann. Mit unserem Fahrzeug vor zwei Jahren hatten wir uns schon 1 km später im Tiefsand festgefahren. Nur Reifendruckreduzieren und Freischaufeln brachte die Kiste wieder frei. Diesmal haben wir spezielle Off-Road-Reifen und ASCO bat uns am Reifendruck, wenn möglich, nichts zu verändern. Der Wagen spurt durch den Tiefsand, als wäre es nichts. Nur der Momentanverbrauch von bis zu 60 l/100 km zeigt, was er leistet. Sobald er sich festzufahren droht, reicht ein leichtes Antippen des Gaspedals, um noch etwas mehr Leistung abzurufen und das Fahrzeug zieht weiter vorwärts. Zu keiner Zeit besteht auch nur annähernd das Risiko stecken zu bleiben. Eine Wahnsinnskiste und eine souveräne Vorstellung.
Wir parken das Auto und laufen wie vor zwei Jahren nicht direkt zum Dead Vlei, sondern in das östlich davon gelegene Vlei zu Füßen der Big Daddy Dune. In Erwartung einer trocken Salzpfanne mit aufgesprungenem, weißen Boden erklimmen wir die ersten leichten Sandhügel und befinden uns plötzlich vor einem ausladenden See. Wasservögel sitzen am Ufer, eine kleine Gänseformation fliegt über uns hinweg. Das ist schon etwas surreal in der Wüste. Der Baum, der vor zwei Jahren frei auf der trockenen Salzpfanne stand, ist jetzt trockenen Fußes gar nicht erreichbar. Dieses Jahr war bis in den April und Mai hinein viel Regen gefallen in Namibia. Der Tsauchab-Fluss ist daher weit bis ins Sossusvlei hineingeflossen, hat sich dann hier gesammelt und wird im Laufe der Zeit versickern.
Wir laufen am westlichen Ufer des Sees entlang und steigen weiter hinten die Dünenflanke gegenüber der Big Daddy Dune hinauf. Oben auf dem Kamm angekommen laufen wir in südlicher Richtung weiter hinauf, bis wir am höchsten Punkt über dem kleinen, isolierten Minivlei direkt neben dem Dead Vlei stehen. Von hier oben sehen wir auch den Zufluss des Sees. Im Grunde folgt man auf dem Weg von Sesriem hierher die ganze Zeit dem Flussbett. Zwischen den Dünen verteilt sich der Fluss dann in den Vleis und versickert. Deutlich sind die ehemaligen Wasserläufe vom 4x4-Trail herüber zur überfluteten Salzpfanne erkennbar. Der Blick nach Westen geht von oben ins trockene Dead Vlei mit seinen toten Kameldornakazien. Weiter nach Süden sehen wir noch ein kleines Vlei und viele Arme der Sterndünen. Obwohl, anders als vor zwei Jahren, kein Sandsturm herrscht, ist es auf dem Dünenkamm doch sehr windig und der Sand strahlt uns und die Kameras ordentlich ab. Daher verzichten wir auf den weiteren Aufstieg an den allerhöchsten Punkt der Düne und machen uns über die Direttissima auf den Weg nach unten ins Dead Vlei. Die Schuhe wurden auf der Düne mit der Zeit immer enger und wir lassen unten im Vlei erst einmal einige große Sandhaufen aus unseren Schuhen zurück. Dann genießen wir die Stille im Dead Vlei, das wir, obwohl es schon 10 Uhr ist, mit nur wenigen anderen teilen müssen.
Wir machen uns eine halbe Stunde später auf den Weg zurück zum Auto und fahren das kurze Stück weiter nach Westen zum Sossusvlei selbst. Auch hier hat der Tsauchab einen gewaltigen See hinterlassen. Hier allerdings sind die umgebenden Dünen nicht so hoch und daher ist die Wirkung des Sees, der auch viel trüber ist als bei der Big Daddy Dune, nicht so beindruckend. Trotzdem ist natürlich Wasser in der Wüste immer etwas Besonderes.
Auf dem Rückweg zum 2x4-Parkplatz zeigt der Wagen das gleiche Bild wie zuvor, auch Ausweichen in ganz frischen und extraweichen Tiefsand außerhalb der Spur bringt ihn nicht aus der Fassung. Wir fahren wieder auf Asphalt gemütlich zurück Richtung Sesriem Campground. Unterwegs sehen wir einen Oryx malerisch direkt vor einer Düne und merken uns eine Düne vor, die wir nachmittags im besseren Licht nochmal näher anschauen wollen. Jetzt gegen 12 Uhr ist das Licht sehr unvorteilhaft und die Dünen wirken alle sehr flau. Kurz vor dem Parkausgang halten wir und werfen einen Blick in den Ausgang des Sesriem Canyon, wo ihn der Tsauchab in Richtung Dünen verlässt. Natürlich führt er zu dieser Jahreszeit kein Wasser mehr, aber das Flussbett ist schön grün. Um 13:30 Uhr sind wir zurück am Camp und beobachten eine Eidechse bei der Jagd auf Fliegen und einen Nektarvogel beim Blütenaussaugen. Beides findet direkt am Baum auf unserem Platz statt. Die Eidechse ist hier so zu Hause, dass ich sie überhaupt nicht störe und sie sogar auf meinem Fuß herumläuft. Ansonsten lassen wir einfach mal zwei Stunden lang die Seele baumeln, kopieren Fotos aufs Laptop und laden Akkus auf.
Gegen 15 Uhr fahren wir zurück in den Park zu unserer zuvor ausgewählten Düne. Sie liegt weiter östlich noch vor der Düne 45 bei Kilometer 40 ab dem Eingang und ist recht nah an der Straße – denkt man. Als wir uns auf den Weg dorthin machen, merken wir, dass es doch ein Stückchen zu laufen ist. Zuhause nachgemessen sind es gute 600 m. Die Identität der Düne lässt sich auch nach intensiver Recherche nicht eindeutig feststellen. Es ist einfach keine Karte zu finden, auf der sie alle genau benannt sind. Die Dünen sind der Reihe nach durchnummeriert. Düne 45 ist nur rein zufällig 45 km vom Eingang des Parks entfernt. Als wir näher an die Düne herankommen, bemerken wir, dass sich etwas an ihrer Basis bewegt. Der Blick durchs Fernglas lässt uns erkennen: Es handelt sich um spielende Oryxe. Und da sind noch mehr auf der Ebene vor der Düne verteilt. Mist – die sind nicht so ohne. Es gibt Berichte, dass sie es locker mit einem einzelnen Löwen aufnehmen. Die langen Spieße haben sie ja nicht zum Spaß. Also was tun, das Unternehmen Düne abbrechen? Wir laufen erst mal vorsichtig etwas weiter, nehmen uns vor, bei erkennbarer Abwehrhaltung sofort kehrtzumachen. Jetzt haben uns die Tiere entdeckt und blicken alle zu uns herüber. Wir sind noch gute 200 Meter von ihnen entfernt. Na mal sehen, noch wirken sie entspannt. Ein paar Schritte weiter und auf einmal setzt sich die ganze Herde, mindestens 30 Stück in Bewegung und galoppiert davon. Na gut, das wäre dann geklärt. Solange wir sie nicht in die Enge treiben, sind sie nicht aggressiv. Rund 5 Minuten später stehen wir alleine vor der mächtigen Düne. Mit bis zu 380 m über dem Grund sind die Dünen hier im Sossusvlei Park die höchsten der Welt.
Zurück am Campground vertreiben wir die Moskitos mit einem Feuer. Jetzt zahlt es sich aus, dass am Fahrzeug eine Axt befestigt ist. Zwar mussten wir bisher keine Äste zum Unterfüttern des Autos abschlagen, aber so können wir kleine Späne von den gekauften Holzscheiten zum Anfeuern abtrennen. Mit Nudeln, Tomatensoße und Käse am Lagerfeuer lassen wir den Tag ausklingen.